Turnierarchiv 2014


07.-17.06.2014: Amateur-Schach-WM 2014 Rhodos (Kat. C)

Geschrieben von Matthew Stansfield

 

Samstag, 07. Juni

Es geht los! Um 12:33 Uhr steigen Marc, Nathalie und ich in den RBS-Zug in Schönbühl ein. Alles geht reibungslos, in Bern steigen wir um auf den Zug nach Kloten. Am Flughafen angekommen checken wir das Gepäck ein und lassen an der Sicherheitskontrolle festlegen, dass wir nichts Böses im Sinn haben. Der Flug hat circa 20 Minuten Verspätung, aber auch hier verläuft ansonsten alles reibungslos. Nach drei Stunden landen wir in Rhodos. Das Personal, welches uns dabei hilft, aus dem Flieger zu kommen, hat alles im Griff. Nun stehen wir vor dem Flughafen und halten Ausschau nach dem bereits von der Schweiz aus reservierten Rollstuhltaxi. Es ist nicht da. Und auch nach einer guten Stunde ist nichts zu sehen. Da bereits Abend ist, ist die angegebene Büro-Telefonnummer nicht mehr erreichbar. Plötzlich erblickt Marc einen kleinen Bus mit Rollstuhl-Emblem, der vor uns gerade anhält. Ich sprinte hin, und wie sich herausstellt, ist dies das besagte Rollstuhltaxi. Nur weiss der Fahrer gar nichts von uns, er warte auf einen anderen Kunden, dessen Flug Verspätung habe. Im Büro hätte es wohl ein kleines Durcheinander gegeben, deshalb sei unsere Reservation verloren gegangen. Er hat aber Erbarmen mit uns, und so schaffen wir es dann doch noch nach Faliraki Beach. Zwar sind wir zuerst noch im falschen Hotel, aber nach zehnminütigem Spaziergang und kurzer Anmeldung an der Rezeption erhalten wir endlich unser Zimmer. Erstaunlicherweise ist es im Vergleich zu Kreta im letzten Jahr bis auf das Badezimmer erstaunlich gut befahrbar. Jetzt aber ab ins Bett, morgen ist der erste Spieltag!


Sonntag, 08. Juni

Beim Frühstück - nur Marc und ich sind schon wach, Nathalie schläft noch - sind wir ein wenig perplex. Man muss vieleicht noch anmerken, dass wir beide nicht gerade morgendliche Motivationskanonen sind und die Gespräche normalerweise für die erste Stunde auf ein Minimum beschränken. Wir sind im Hotel „EsperidesFamily Resort“, gefühlte hundert Kinder schwirren, sich lautstark mitteilend, um uns umher. Ein wenig überwältigt von der vorhandenen Lärmkulisse vergleichbar mit einem Konzert der Rolling Stones in der ersten Reihe, nehmen wir die erste Mahlzeit des Tages zu uns. Dann gehst zu dritt zum Spiellokal, circa 5 Minuten vom Hotel entfernt und aufgrund des direkt daneben stehenden Riesenrades nicht zu verfehlen. Es besteht aus einem grossen, gut klimatisierten Raum, darin befinden sich einige uns bereits bekannte Gesichter. Marc spielt gegen den Deutschen Dirk Sprünken (1891 ELO), hat weiss und gewinnt. Ein guter Start!


Montag, 09. Juni

Heute steht bereits die erste Doppelrunde an. In der ersten Runde spielt Marc gegen den Deutschen Andreas Buchele (1899 ELO), hat schwarz und gewinnt erneut nach fünf Stunden Spielzeit. Die einstündige Pause reicht gerade aus, um vor dem Spiellokal ein Sandwich zu essen und Nathalie und mir dabei zuzusehen, wie wir uns im Schach versuchen. Die Betonung liegt hierbei auf „versuchen“. Die zweite Runde ist gegen den Schotten Peter Smith (1898 ELO), Marc hat weiss, die beiden einigen sich auf ein Remis. In der Zwischenzeit besichtigen Nathalie und ich das alte Städtchen Lindos mit angrenzender Akropolis. Bei einem Besuch auf Rhodos absolut empfehlenswert! Leider jedoch absolut nicht rollstuhlgängig.


Dienstag, 10. Juni

Der dritte Spieltag. Marc spielt heute gegen den Russen Vsevolod Bessarad (1876 ELO), hat schwarz und macht Remis. Damit liegt er nach vier Spielen mit drei Punkten noch gut im Rennen! Den Nachmittag verbringen wir am und im Pool. Zuvor noch Mittagessen in der „Greek Tavern“, direkt am Pool gelegen. Das Essen ist für All-inclusive - Verhältnisse ziemlich gut!

 

Mittwoch, 11. Juni

Vierter Spieltag, nächste Doppelrunde. Am Morgen spielt Marc gegen den Russen Alexander Liberman (1971 ELO), hat weiss und macht erneut Remis. Am Nachmittag spielt er gegen den Spanier Fernando Sans Bastos (1982 ELO), hat schwarz und verliert leider. Am Abend sind wir im nahe gelegenen Hotel Esperos Village bei den uns bereits aus dem letzten Jahr bekannten österreichischen Paar Werner und Solveig auf einen Drink eingeladen. Nach interessanten Gesprächen und guten Cocktails gehen wir zu Bett, für den morgigen spielfreien Tag ist ein Ausflug geplant.


Donnerstag, 12. Juni

Wir beginnen den Tag mit einem guten Frühstück in der etwas ruhigeren „Greek Tavern“ und anschliessendem Sonnenbad am hoteleigenen Strand. Am Nachmittag holt uns dann das am Vorabend reservierte Rollstuhltaxi (unerwarteterweise sogar pünktlich) für unseren Ausflug in die Altstadt Rhodos ab. Wir schlendern quer durch die ganze Stadt, sehen so manchen Laden von innen für den Kauf diverser Souvenirs und auf der schier unendlichen Suche nach einem Sommerkleid für Nathalie. Abends ist dann auch dieses gefunden und wir besichtigen zum Abschluss noch den Hafen und essen in einem Restaurant ein Sandwich. Auch für die Rückreise ist das Rollstuhltaxi - oh Wunder - wieder pünktlich. Am Abend schauen wir selbstverständlich das Eröffnungsspiel der Fussball-WM auf unserem keinen Fernseher im Hotelzimmer.


Freitag, 13. Juni

Fünfter Spieltag an einem Freitag dem 13. Marc spielt gegen die Argentinierin Andrea Dürnhöfer (1793 ELO), hat weiss und gewinnt! Der Aberglaube bestätigt sich also nicht. Den Nachmittag verbringen wir erneut am Meer, bevor wir uns am Abend den Match Spanien - Niederlande anschauen. Nathalie und ich sind für Spanien, Marc schon alleine deswegen für Holland. Er soll Recht behalten.


Samstag, 14. Juni

Sechster Spieltag, achtes Spiel. Marc spielt gegen den Deutschen Daniel Vossen (1850 ELO), hat schwarz und verliert leider nach relativ kurzer Spielzeit. Am Nachmittag sind wir wieder am Meer und lassen es uns nicht nehmen, die Ägäiszur Abkühlung zu nutzen. Für irgendwas sind wir ja nebst der WM direkt am Meer! Am Abend begeben wir uns ins nahegelegene Dörfchen Faliraki und essen bei einem freundlichen Griechen in dessen Restaurant zu Abend. Natürlich läuft der Fernseher, denn heute spielt Griechenland! Zum Leidwesen des Wirtes und seiner Angestellten vollbringen sie keine Glanzleistung und verlieren 0:3 gegen Kolumbien.

 

Sonntag, 15. Juni

Letzter Spieltag. Marc spielt gegen den Brasilianer Sergio Barbisan Jr. (1896 ELO), hat weiss und erzielt ein Remis. Nach dem Mittagessen geniessen wir ein letztes Mal den schönen Pool, bevor wir uns am Abend auf den Weg zu einem zuvor von Nathalie und mir ausgekund-schafteten Restaurant mit Fernseher machen. Denn heute spielt die Schweiz! Bewaffet mit Schweizer T-Shirt und guter Laune fiebern wir dem Anpfiff entgegen. Wir essen zwar besser als die Nati spielt, aber trotzdem gewinnen sie schlussendlich. Ein wirklich schöner Abschluss von wirklich schönen Ferien! Im Hotelzimmer schauen wir noch den Match Frankreich - Honduras, bevor wir zu Bett gehen. Morgen wird ein anstrengender Tag!


Montag, 16. Juni

Heimreise. Das Rollstuhltaxi zum Flughafen haben wir für 09:00 Uhr morgens reserviert. Es kommt sogar eine Viertelstunde zu früh! Am Flughafen angekommen, checken wir unser Gepäck ein und entschliessen dann, dass wir ab Athen lieber direkt nach Zürich fliegen möchten, anstatt noch den Umweg über Berlin zu machen (Als wir gebucht hatten, sagte man uns, die Zeit zum Umsteigen würde wohl nicht reichen. Dann haben wir aber erfahren, dass alle anderen Schweizer genau diesen Flug nehmen werden). Also rufen wir kurzerhand bei Hotelplan an und fragen nach. Leider ist eine Umbuchung aber nicht möglich. Von Rhodos geht es also nach Athen, in einem etwas in die Jahre gekommenen Flugzeug der Olympic Airways. Dort angekommen und vom Flugzeug auf einen viel zu grossen Handrollstuhl verfrachtet, lässt sich Marcs Rollstuhl nicht finden. Nach langem Bangen und der etwas hilflos erscheinenden Suche eines Flughafenarbeiters taucht er dann aber doch noch auf. Die Zeit reicht sogar noch aus, damit Nathalie und ich unserer Zigarettensucht fröhnen können.

 

Von Athen geht es nun mit einem etwas moderner wirkenden Airbus A320 der Aegaeis Airline nach Berlin. Dort werden wir von einem etwas unfreundlichen Herrn empfangen, der dann auch beschliesst, dass es nun wirklich nicht nötig sei, extra noch Marcs Elektrorollstuhl zu holen um die Zeit am Flughafen zu überbrücken. Wir sagen ihm, dass wir bis zum erneuten Einsteigen gut alleine zurecht kommen, und er sagt, dass wir uns allerspätestens um 17:45 beim Gate befinden sollen, denn sonst werde es zu knapp mit der Zeit zum Einsteigen. Nun gut, nochmals kurz an die frische Luft, dann ab durch die Sicherheitskontrolle. Die Sicherheits-leute sind so sehr damit beschäftigt, dem Anpfiff der deutschen Nationalmannschaft entgegen zu fiebern, dass sie beinahe vergessen, uns richtig zu kontrollieren. Aber wir haben ja sowieso nichts zu verbergen. Der sehr auf Pünktlichkeit bedachte Flughafenangestellte taucht dann einfach gar nicht auf. Stattdessen um 18:10 Uhr seine Kollegin. Diese wirkt aber wenigstens etwas kompetenter. Mit leichter Verspätung fliegen wir endlich Richtung Heimat! In Zürich angekommen erwartet uns die gewohnte Professionalität, kurze Zeit später sitzen wir bereits im Zug nach Bern, und dann im RBS Richtung Schönbühl. Wir haben es geschafft!

 

Fazit:
Die WM verlief leider nicht ganz ideal für Marc. Gestartet auf dem 3. Platz der Kategorie C belegt er schlussendlich Rang 13 von 47 Teilnehmer/innen.Trotzdem hat er meiner Meinung nach mehrheitlich sehr gut gespielt! Rhodos insgesamt war eine sehr gute Erfahrung und bot uns wirklich schöne Ferien. Mit Baden im Meer und im Pool, Stadtbesichtigung, gutem Essen, Fussball-WM und natürlich dem Schachspiel hatten wir sehr vielseitige zehn Tage auf der Insel. Es hat uns allen sehr gut gefallen. Danke Marc, dass wir dich begleiten durften, wir kommen nächstes Jahr gerne wieder mit! (2015 wird die Amatuer-WM der ACO voraussichtlich auf Kos stattfinden).
Ausserdem möchten Marc und ich uns nochmals herzlich bei allen bedanken, die über die Plattform

„I believe in you“ für dieses Abenteuer gespendet und uns diese Reise so ermöglicht haben!

(Nathalie hat ihre Ferien selbstverständlich selbst bezahlt und nicht vom Projekt profitiert).

 

Freundliche Grüsse und vieleicht bis nächstes Jahr!

 

Matthew Stansfield, Assistent und Begleiter

Impressionen/Rangliste

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